Mit Google Translate kann diese Webseite in andere Sprachen übersetzt werden. Wenn Sie eine Sprache auswählen, rufen Sie Inhalte auf Google-Servern ab. Der Webseitenbetreiber hat keinen Einfluss auf die Verarbeitung Ihrer Daten durch Google. Wenn Sie nicht möchten, dass Ihre Daten an Google übermittelt werden, schließen Sie dieses Fenster mit einem Klick auf "X".
Um die Sprachwahl nutzen zu können, müssen Sie zunächst das Laden von externen Komponenten erlauben.
Drei Tage lang führt Frank-Walter Steinmeier seine Amtsgeschäfte vom Landkreis Grafschaft Bentheim aus. Das Staatsoberhaupt bezeichnet die Region als Mutmacher für viele andere Orte in Deutschland. Und die positiven Reaktionen der Menschen in Nordhorn geben Hoffnung in Zeiten, in denen radikale Stimmen zunehmend gegen die Politik und Demokratie hetzen.
Es war ein ungewöhnlicher Besuch, der die Stadt Nordhorn vergangene Woche kurz in einen Ausnahmezustand versetzte. Menschen versammelten sich spontan am Bahnhof, vor dem Rathaus und in der Innenstadt, um Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit Applaus zu begrüßen, ihm die Hand zu schütteln oder mit ihm zu sprechen. Als Nordhorns Bürgermeister Thomas Berling und der Bundespräsident gemeinsam in hellblauen Funktionsjacken über die grüne Grenze in die Niederlande radelten, säumten Zuschauer:innen den Fahrradweg am Kanal, jubelten und winkten der präsidialen Fietsen-Kolonne zu.
„Ortszeiten“ nennt der Bundespräsident diese Besuche, in denen er das Schloss Bellevue in Berlin verlässt und kleine Orte abseits der Metropolen für jeweils drei Tage besucht. Um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen und das Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit auf ländliche Regionen zu richten. Das Bundespräsidialamt hatte Nordhorn für die 13. Ortszeit im Oktober 2024 ausgewählt, um mit der Stadt ein positives Beispiel aufzuzeigen. In Zeiten von wiedereingeführten Grenzkontrollen steht die Region beispielhaft für eine gelungene und enge Zusammenarbeit mit ihren niederländischen Nachbarn. Das wurde auch beim Treffen in Denekamp mit dem niederländischen König Willem-Alexander und lokalen Politiker:innen und Wirtschaftsvertreter:innen der Grenzregion betont.
Zudem bezeichnete das Bundespräsidialamt die Integration und dezentrale Unterbringung von geflüchteten Menschen in Nordhorn als gelungenes Vorbild. Ein weiteres Kriterium, warum die Wahl auf die Grafschaft Bentheim fiel, war der positive Strukturwandel, den die Region in den vergangenen Jahrzehnten erlebt hat. Obwohl Nordhorn fernab von Metropolregionen liegt und noch vor wenigen Jahrzehnten wirtschaftlich am Boden lag, prosperiert und wächst die Stadt heute.
Es sei der Region gelungen, den Strukturwandel erfolgreich zu gestalten, etwas, „was an vielen anderen Stellen in Deutschland nicht in gleicher Weise gelingt,“ sagte der Bundespräsident während seines Besuchs. Die Region habe damit eine Vorbildfunktion. Er bezog sich auf den Zusammenbruch der Textilindustrie, der Ende der 1970er Jahren begann und eine hohe Arbeitslosigkeit zur Folge hatte. „Eine Region im Abschwung hatte man damals gedacht, und das Gegenteil ist heute der Fall“, sage Steinmeier. Nachdem in Nordhorn die drei großen Textilindustrien mit mehr als 12.000 Beschäftigten ihre Tore geschlossen hatten, musste die Region sich neu erfinden – und es ist ihr gelungen.
„Nordhorn ist eine Mutmacherstadt“, sagte der Bundespräsident. „Die Atmosphäre hier ist ausgesprochen gut, ausgesprochen zuversichtlich.“ Die Zuversicht gründe auf dem Bewusstsein, in der Vergangenheit schon ganz andere Krisen gemeistert zu haben. In den Gesprächen vor Ort habe er erfahren, dass auch viele Menschen aus anderen Regionen Deutschlands „zugezogen sind, um hier im grenznahen Raum zu Holland Lebensqualität zu genießen“, sagte Steinmeier.
Heute hat der Landkreis Grafschaft Bentheim mit 3,2 Prozent die niedrigste Arbeitslosenquote bundesweit außerhalb von Bayern und Baden-Württemberg, und Nordhorn hat mehr Einwohner:innen als zu den Hochzeiten der Textilindustrie. Ein Aspekt, der dazu beigetragen habe, den Weg aus der Krise zu meistern, sei die Mentalität und Herangehensweise der Menschen hier, gemeinsam die Dinge in die Hand zu nehmen und anzupacken, sagte Klaas Johannink, Vorsitzender der Wirtschaftsvereinigung Grafschaft Bentheim, während einer Diskussionsrunde mit dem Bundespräsidenten.
Steinmeier nahm sich viel Zeit, fuhr mit der Zooschule des Tierparks über die Vechte, besuchte ein Unternehmen und diskutierte mit Nordhorner:innen über Zuwanderung. Der Bundespräsident und viele seiner Mitarbeitenden zeigten sich beeindruckt von dem durchweg positiven Empfang in der Grafschaft. Das sei keineswegs immer selbstverständlich bei den Ortszeiten. Das ist nicht nur ein Lob für die Stadt, sondern macht auch Mut in Zeiten, in denen besonders rechtsgerichtete Influencer:innen versuchen, die Debatten zu radikalisieren und die Wut auf demokratische Politiker:innen und Institutionen zu schüren. Auch wenn manch einer kritisiert, was für ein Aufwand für so einen präsidialen Besuch betrieben werden muss, weckt es doch Hoffnungen, wenn nicht nur Pop-Stars und Influencer:innen auf der Straße bejubelt werden, sondern auch der höchste Repräsentant unserer Demokratie die Emotionen bewegt.
Inga Rahmsdorf ist geboren und aufgewachsen in Nordhorn. Sie studierte in Berlin und arbeitete bei der Süddeutschen Zeitung in München, bis sie sich nach 20 Jahren wieder vom Großstadtleben verabschiedete und mit ihrer Familie zurück in die Grafschaft Bentheim zog.