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Menschliche Beziehungen formen uns, geben uns Halt und machen viele Momente fröhlicher und manche weniger beängstigend. In der Grafschaft Bentheim – unserer Wahlheimat – besuchen wir einander gerne spontan für einen kleinen Plausch. Es gibt immer ein „Komm doch kurz rein“ und für den Gast einen Milchkaffee.
Bei Einladungen bringen die Gäste mehr Geschenke mit als ansatzweise „erwartet“ und die Gastgebenden tischen viel großzügiger auf als vereinbart. Das führt dazu, dass immer viel zu viel gegessen und getrunken, viel zu lang in die Nacht hinein geredet und wahnsinnig viel gelacht wird – und wir lieben das. Diese Großzügigkeit kommt übrigens auch von den Menschen, deren Geldbeutel nicht so prall gefüllt ist, denn sie hat nichts mit den jeweiligen Einkommensverhältnissen zu tun, sondern resultiert aus dem Bedürfnis heraus, es den Gästen richtig schön zu machen und den Gastgebenden besonderen Dank zu erweisen.
Auch die liebevolle Art des Beschenkens musste ich als Berlinerin erst lernen. Ich erinnere mich bis heute beschämt daran, wie ich das 5-Euro-Wichtelgeschenk einer Schülerin, einen stylischen großen Modeschmuckring, den Regeln der Klasse folgend „einfach in einen Schuhkarton gepackt“ habe. Dann erst habe ich die Verpackungen der anderen gesehen: Die Schuhkartons waren in das schönste Geschenkpapier gewickelt, mit Wünschen beschriftet, mit Süßigkeiten beklebt und gefüllt mit Nüssen und lauter kleinen selbstgebastelten Aufmerksamkeiten. Hier wird das 5-Euro-Geschenk für weitere fünf Euro und mit sehr viel Liebe verpackt, damit die Beschenkten sich wertgeschätzt fühlen.
Die Menschen hier haben uns übrigens noch eine ganz andere Form der Großzügigkeit gelehrt: Wir helfen einander beim Renovieren, Umbauen, Ein- und Umziehen, Einkaufen und bei kleineren Handwerksarbeiten. Profis werden nur dann geholt, wenn der Freundeskreis nicht aushelfen kann. Diese Menschen, die immer und überall sofort zur Stelle sind, wenn wir sie brauchen, nennen wir „Grafschafter Gold“. Wenn du zwischenmenschliche Verbindlichkeit und Achtsamkeit suchst, dann ist die Grafschaft das Eldorado Deutschlands – kein Witz.
Als Ur-Berliner ist uns die Eingewöhnung schwer gefallen. Die Menschen hier sind auf den ersten Blick zwar sehr nett zueinander, aber „sehr schwer zu knacken“. Hast du jedoch unser Herz erobert, dann erlebst du das Grafschafter „Geben und Geben“. Geben macht uns Freude und ist eine Währung, die sich nicht erschöpft. Wir wollten – wie alle Berliner*innen - lange zurück in unsre Geburtstadt, weil Berlin die coolste Stadt der Welt ist. Grafschafter*innen kommen zurück in ihre Heimat, um ihre Kinder hier großzuziehen – hier, das heißt unter Menschen, die aufeinander achten, bei denen es immer einen spontanen Milchkaffee gibt, ein Plätzchen zum Reden auf der Couch und ein Gästezimmer für Gestrandete. Wir wollen schon lange nicht mehr weg, denn hier zu leben macht uns glücklich und auf eine besondere Art und Weise: reich.
Theresa Sperling ist gebürtige Berlinerin, Spoken Word Artist, Schriftstellerin und Lehrerin im Niedergrafschafter Emlichheim. Sie lebt seit 2004 mit ihrer Familie in Nordhorn und hat hier ihre Heimat gefunden.