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25. Nov. 2021

Geheimtipp Kleinstadt

Es war ein heißer Sommertag, als wir vor drei Jahren die lebenswerteste Stadt Deutschlands verließen, um in eine unbedeutende Kleinstadt zu ziehen. Dass München die Stadt mit der höchsten Lebensqualität in Deutschland war, hatte kurz zuvor eine bundesweite ZDF- Studie belegt. „Nordhorn? Wo ist das denn?“, fragten mich dagegen die Münchner Kolleginnen und Kollegen belustigt bis entsetzt. Doch es gab kein Zurück mehr. Unser Umzugswagen war vollgeladen, der Mietvertrag gekündigt. 

Nach 20 Jahren verabschiedeten wir uns vom Leben in der Großstadt – Berlin, Hamburg, Marseille, München. Um in die Grafschaft Bentheim zu ziehen, ein Landkreis, den die Weltöffentlichkeit beflissentlich übersieht. Warum wollten wir noch in die Kleinstadt? War das nicht eine völlig verrückte Idee angesichts von Enge, Provinzialität und begrenzten Möglichkeiten? Auf so vieles würden wir verzichten müssen. Die Weltoffenheit der Großstadt! Die große Auswahl an Menschen, Parks und Kneipen! Die kulturellen Angebote! Wir passierten das Ortsschild München und auf der A9 staute sich mal wieder der Verkehr.

Drei Jahre später stelle ich fest: es gab noch keinen Tag, an dem ich den Umzug bereut habe. Unspektakulär, unauffällig und unprätentiös steht die Kleinstadt nur selten im Fokus, erhält wenig Beachtung. Schließlich fehlt ihr das hippe Großstadtflair ebenso wie die romantische Landidylle. In Umfragen schneidet die Kleinstadt trotzdem auffallend gut ab. Zu Recht. Klein genug, um nicht täglich Schlange stehen zu müssen, nah genug an der Natur, um mal eben rausfahren zu können und kurze Wege, um alles unkompliziert und mit dem Fahrrad zu erreichen.

In München habe ich täglich eine Stunde von unserer Wohnung (mitten in der Stadt) bis zur Redaktion (auch in der Stadt) gebraucht. In Nordhorn fietse ich in der gleichen Zeit einmal am Vechtesee entlang bis ins Freibad und ziehe dort Bahnen. Als ich mich im Nordhorner Rathaus ummelden wollte, fragte ich am Empfang, ob es voll sei. „Ja, ein bisschen warten müssen Sie wohl“, war die entschuldigende Antwort. In München hatte ich mir für die Verlängerung meines Reisepasses einen Tag frei genommen, fünf Stunden musste ich damals warten. In Nordhorn wurde ich nach zehn Minuten aufgerufen.

Klar, es ist nicht lebensentscheidend, ob man mal fünf Stunden oder zehn Minuten warten muss. Ob man im Freibad oft allein seine Bahnen zieht oder immer mit zehn anderen Schwimmern um eine Bahn kämpfe. Ob das Grundschulkind sich allein durch die ganze Stadt bewegt oder begleitet werden muss. Aber zusammen genommen ist es schon ein enormer Gewinn an Lebensqualität, wenn man nicht ständig in Schlangen steht, sich durch gestresste Massen drängelt, seine Lebenszeit in U-Bahnen absitzt, sich auf unzähligen Wartelisten einreiht, immer um alles konkurrieren muss, täglich zwischen Verkehrslärm und Feinstaub gestresst seine Kinder hinter sich herzieht und für jeden Restauranttisch Wochen vorher eine Reservierung benötigt. Und vor allem: wenn nicht nur zwei Menschen zusammen ihre Kinder großziehen, sondern auch noch Omas, Opas, Tanten, Onkel, Großtanten, Großonkel, Cousins und Cousinen dabei helfen.

Zudem lebt es sich deutlich entspannter, wenn auch die Menschen um einen herum weniger gestresst sind, weil sie nicht morgens schon eine Stunde auf dem Mittleren Ring im Stau standen, bevor sie die Kita erreichten. Weil sie sich nicht in kleine Wohnungen quetschen müssen. Weil der Mietpreis für ein großes Haus mit Garten dem eines Mietpreises für eine enge Münchner drei-Zimmer-Wohnung entspricht. Weil der Alltag nicht von langen Strecken und ständigem Gedränge bestimmt ist. Weil vieles einfach unkomplizierter, gemächlicher und gelassener abläuft.

700 Kilometer hinter dem Münchner Ortschild erreichte unser Umzugswagen Nordhorn. Nach dem Ausladen brachten wir ihn zurück zur Autovermietung. Ja, tatsächlich, von der gibt es sogar in der Kleinstadt eine Filiale, konnten wir erstaunten Freunden aus München versichern. Sie lag an einer trostlosen Ausfahrtsstraße, die Luft über dem asphaltierter Parkplatz flimmerte. Ein einsamer Mitarbeiter saß dort in einem nüchternen Container. Kein beneidenswerter Arbeitsplatz. Doch als wir die Tür öffneten, rief er gutgelaunt hinter seinem Tresen hervor: „Moin. Reinkommen. Wohlfühlen!“ Und erzählte uns ungefragt, wie glücklich er sei. Nordhorn, the place to be.

Inga Rahmsdorf

Inga Rahmsdorf ist geboren und aufgewachsen in Nordhorn. Sie studierte in Berlin und arbeitete bei der Süddeutschen Zeitung in München, bis sie sich nach 20 Jahren wieder vom Großstadtleben verabschiedete und mit ihrer Familie zurück in die Grafschaft Bentheim zog.